Sonntag, 22. November 2015

Anerkenntnisurteil kann in der Berufungsinstanz widerrufen werden; Prozessvollmacht des eigenen Anwaltes kann in der Revision nur durch postulationsfähigen Anwalt gerügt werden

 



Der Verwalter bleibt auch dann gesetzlicher Zustellungsvertreter, wenn er seiner Pflicht, die Wohnungseigentümer unverzüglich darüber zu unterrichten, dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG), nicht nachkommt.

Dass der Verwalter im Beschlussmängelprozess nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt ist, für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu mandatieren (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2013 - VZR 241/12, NJW2013, 3098 Rn. 7 ff.), schließt allerdings nicht aus, dass einzelne Wohnungseigentümer einen eigenen Rechtsanwalt beauftragen oder eine Vertretung durch den vom Verwalter eingeschalteten Anwalt ablehnen.

Soweit andere Wohnungserbbauberechtigte erstmals in der Revisionsinstanz mitgeteilt haben, sie wollten nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten werden, bleibt dies schon deshalb ohne Wirkung, weil die Erklärungen nicht durch einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt abgegeben worden sind (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

Prozesshandlungen wie das Anerkenntnis unterliegen nicht den für materiell-rechtliche Rechtsgeschäfte geltenden Vorgaben. Die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln sind weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389, 391 ff.; Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XI I ZB 71/04, MDR 2007, 672; Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZR 262/08, NJW 2013, 2686 Rn. 7). Wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung sind Prozesshandlungen grundsätzlich unwiderruflich, wenn sie als so genannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen (Senat, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 128/14, NJW 2015, 2425 Rn. 27). Ein Widerrufsrecht kann sich allerdings ausnahmsweise aus teleologischen oder systematischen Envägungen ergeben.

Es ist säumigen Streitgenossen in den Tatsacheninstanzen in nachfolgenden mündlichen Verhandlungen möglich ist, eine von dem anwesenden Streitgenossen mit Wirkung für sie vorgenommene Prozesshandlung zu widerrufen.

Die Möglichkeit zum Widerruf von Prozesshandlungen in der mündlichen Verhandlung von einem anwesenden Streitgenossenmit Wirkung für und wider die übrigen vorgenommen worden sind, folgt aus der gebotenen teleologischen Reduktion des § 62 ZPO.
 
Da hat der BGH aber mal wieder einen rausgehauen. Da die ZPO auf WEG-Verfahren nur bedingt anwendbar ist, hat der BGH mehrfach entscheiden müssen, wie sich die Streitgenossenschaft der beklagten Wohnungseigentümer in einem Anfechtungsverfahren auswirkt. Zunächst herrschte Ratlosigkeit. Dann überraschte uns der BGH (V ZR 196/08) mit der Erkenntnis, dass die Wohnungseigtentümer wie echte Streitgenossen anzusehen sind, was das LG München (1 S 809/11) dann auch prompt dazu veranlasste, sogar einen Parteiwechsel eines beklagten Miteigetümers vorzunehmen, worauf der BGH (V ZR 7/12) seine Rechtsprechung in einem Nebensatz sofort wieder aufgab und entschied, dass ein Parteiwechsel wohl doch nicht möglich sei.

Aktuell stellt der BGH (V ZR 76/14) fest, dass eine erstinstanzliche Prozesshandlung (Anerkenntnis) eines Streitgenossen ausnahmsweise noch in der Berufungsinstanz widerrufen werden kann, wenn die übrigen Eigentümer säumig waren und stellt damit erneut klar, dass die Gesetzesreform von 2007 wohl wenig durchdacht war.

Immer wieder neue Ausnahmen und Sonderregeln machen das Prozessrecht im WEG mittlerweile zu einem nicht mehr überschaubaren Risiko für Parteien wie für Anwälte.

Da wundert es schon gar nicht mehr, wenn ein Eigentümer, der erstmalig in der Revisionsinstanz von seinem Gerichtsverfahren erfährt, weil der Verwalter ihn bis dahin nicht unterrichtet hat und von den ihn vertreten Rechtsanwalt nicht vertreten werden will, einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen muss, damit dieser die fehlende Bevollmächtigung rügt.

 

Jetzt ist die Katze aus dem Sack

 

Tierschutz versus Eigentumsschutz: 

 

LG Dortmund 1 S 52/13, Urt. v. 20.10.2015

 

In einem recht emotional geführten Verfahren bestätigte das LG Dortmund nach dreijähriger Verfahrensdauer die Rechtsauffassung des AG Bottrop, wonach das Anfüttern von verwilderten Katzen zwecks medizinischer Versorgung und Kastration in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gestattet ist.

Die Katzenliebhaber wiesen auf die Notwendigkeit eines Engagements von freilaufenden Katzen hin, der Verbeugung weiterer Vermehrung und einer Impfung zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten.

Die Wohnungseigentümer begrüßten diesen Einsatz, aber bitte nicht auf dem eigenen Grundstück.

Denn das Anfüttern lockte nicht nur Katzen, sondern auch Ratten, Mäuse und Rabenvögel an, die ihrerseits gemeinsam mit den Katzen den Singvögeln den Garaus machten und durch offene Terrassentüren und Fenster in die Wohnung gelangen könnten. Auch die Revierkämpfe der Katzen sowie der nächtliche ruhestörende Katzenjammer war den Eigentümern ein Dorn im Auge.

Hinzu kam, dass die womöglich mit Krankheitserregern und Wurmbefall infizierten Katzen Seuchen übertragen könnten. 


In diesen Fällen müsse auch das öffentliche Interesse an der Einschränlung der Population wilder Katzen hinter dem Recht am Eigentum zurückstehen.

Sonntag, 30. August 2015


Unberechtigter Ausschluss von der Eigentümerversammlung führt zur Unwirksamkeit der anschließend gefassten Beschlüsse



Sieht das Gericht den Verwalter zur Zustellung einer Anfechtungsklage als ausgeschlossen an, hat es seinerseits von Amts wegen einen Ersatzzustellungsbevollmächtigten zu bestellen (§ 45 Abs, 3 WEG). Warten die Kläger die Entscheidung des Gerichtes, an wen zugestellt wird und gegebenenfalls die Benennung eines Ersatzzustellungsbevollmächtigten ab, verzögern sie den Rechtsstreit daher nicht vorwerfbar (vgl. BGH NZM 2011, 752 Rn. 7).

Hat das Erstgericht die Klage aus mehreren voneinander unabhängigen Gründen für gerechtfertigt gehalten, liegt eine hinreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn alle Gründe - für sich in ausreichender Weise - angegriffen werden.

Der unberechtigte Ausschluss eines Eigentümers oder einer anderen teilnahmeberechtigten Person von der Versammlung steht hinsichtlich der Rechtsfolgen der Nichtladung gleich. Die in der Versammlung gefassten Beschlüsse sind im Rahmen der Anfechtungsklage für ungültig zu erklären, ohne dass es darauf ankommt, ob die in der Versammlung gefassten Beschlüsse auch bei Mitwirkung des ausgeschlossenen Eigentümers die erforderliche Mehrheit gefunden hätte.

Stört ein Wohnungseigentümer den Ablauf einer Versammlung, kann er als Ultima Ratio und nur für den weiteren Verlauf von der Versammlung - also nicht präventiv - ausgeschlossen werden. Voraussetzung einer solchen Ordnungsmaßnahme ist, dass der Versammlungsausschluss geeignet ist, die Störungen abzustellen und dass es kein milderes Mittel gibt, welches den Störungen in gleicher Weise entgegenwirkt. Ein milderes Mittel ist es etwa, einem Wohnungseigentümer das Rederecht zu begrenzen oder ganz zu entziehen. Auch ein nur zeitweiser Ausschluss, bis sich der Wohnungseigentümer „beruhigt" hat, ist in Betracht zu ziehen (Jennißen, WEG, Kommentar, 4. Auflage, § 24, Rn. 74).

Ehemaliger Mitarbeiter der Hausverwaltung kann nicht zum Verwaltungsbeirat bestellt werden; §§ 21, 29 WEG

 

 
War ein Wohnungseigentümer als Mitarbeiter bei der Hausverwaltung tätig, kann er nicht zum Verwaltungsbeirat bestellt werden. Denn wenn ein Eigentümer in die Verwaltungstätigkeit integriert war, besteht hierin ein Interessenskonflikt.

Denn das Amt des Verwalters und des Verwaltungsbeirates sind inkompatibel (Jennißen-Hogenschup:, WEG, § 29 Rn. 11 ;Bärmann-Merle, WEG, § 29 Rnr 13 ).

Denn Aufgabe des Verwaltungsbeirates ist es nämlich u.a., die Tätigkeit des Verwalters gemäß § 29 Abs. 3 WEG zu prüfen. Auch wenn der Eigentümer als freiberuflicher Berater kein leitender Angestellter des Verwalters war - was die Nichtigkeit des Beschlusses begründet - liegt die Interessenkollision auf der Hand.

Wenn ein Verwaltungsbetratsmitglied von dem Verwalter dafür bezahlt wird, dass dieses für ihn Verwaltungstätigkeit ausübt, fehlt es an der nötigen Distanz, um eine wirksame Kontrolle durchführen zu können. Denn dann müsste das Verwaitungsbeiratsmitglied das kontrollieren, was es selbst geraten oder ausgeführt hat.

Wohnungseigentümer haften bei Schäden aufgrund unterlassener Instandsetzungsmassnahmen; § 21 WEG


BGH, Urteil vom 17.10.2014; Az.: V ZR 9/14: Erleidet ein einzelner Wohnungseigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum, weil eine Beschlussfassung über die sofortige Vornahme derartiger Instandsetzungsmaßnahmen unterblieben ist, so trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht den rechtsfähigen Verband, sondern diejenigen Wohnungseigentümer, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.

Entspricht nur die sofortige Vornahme einer zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten oder des Alters einzelner Wohnungseigentümer kein Raum.

Die auf § 21 Abs. 4 WEG gestützte Klage ist gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, wenn deren Mitwirkung an einer ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt wird; eine Klage gegen den Verband scheidet aus (vgl. nur Timme/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 139; aA Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 61, jeweils mwN), und zwar auch dann, wenn nur die Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und ein Gestaltungsspielraum infolgedessen nicht besteht. Eine etwaige Mitwirkungspflicht der Wohnungseigentümer ist individuell und nicht gemeinschaftlich zu erfüllen; den Pflichten des Verbands ist sie vorgelagert. Weil der Verband eine solche Primärpflicht (Mitwirkung an der Willensbildung) nicht wahrnehmen könnte, sind auch Sekundäransprüche nicht gemeinschaftsbezogen. Dass sich die Eigentümerversammlung vor Erhebung der Klage mit dem streitgegenständlichen Anliegen der Klägerin zu befassen hat, stellt eine unnötige Förmelei dar, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung die nötige Mehrheit findet.

Eine etwaige Mitwirkungspflicht der Wohnungseigentümer ist individuell und nicht gemeinschaftlich zu erfüllen; den Pflichten des Verbands ist sie vorgelagert. Weil der Verband eine solche Primärpflicht (Mitwirkung an der Willensbildung) nicht wahrnehmen könnte, sind auch Sekundäransprüche nicht gemeinschaftsbezogen.


Damit hat der BGH die Frage geklärt, wer für Folgeschäden am Gemeinschaftseigentum haftet. Dies sind alle Eigentümer, die einer Massnahme nicht zugestimmt oder sich enthalten haben. Die Eigentümer sind künftig gut beraten, dringend notwendige Reparaturen unverzüglich durchführen zu lassen. Anderenfalls haften sie gemäß § 280 BGB persönlich für Folgeschäden.

Mittwoch, 5. August 2015

Verwalter ist nicht zur Erhebung von Wohngeldklagen prozessführungsbefugt, § 27 WEG

 

 
Gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG bedarf der Verwalter zur Vornahme von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen für die WEG einer Ermächtigung durch eine Vereinbarung oder einen Beschluss. Dies gilt auch für die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten zur Erhebung einer Klage.

Fehlt eine Ermächtigung durch Beschluss oder Vereinbarung, ist die Klage mangels Prozessführungsbefugnis des Verwalters als unzulässig abzuweisen.

Die Verjährungsfrist beginnt bei Wohngeldvorschüssen am Ende des Jahres zu laufen, in dem der jeweilige Vorschuss fällig wird, § 199 BGB (vgl. BGH ZWE 2012, 373). Enthält der Wirtschaftsplan die Pflicht zur Zahlung von Vorschüssen, führt der Beschluss der Jahresabrechnung nicht zu einer Novation oder auch nur zur Bestätigung der bereits fällig gewordenen Vorschüsse (BGH a.a.O.; Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 28 Rn. 63) und daher insoweit auch nicht zu einem Neubeginn der Verjährung; allenfalls eine die Vorschusszahlungen übersteigende sog. Abrechnungsspitze wird erstmalig begründet.

Einem Verwalter, der ohne Prozessführungsbefugnis eine Wohngeldklage betreibt, sind gem. § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen
 
Die Entscheidung des LG Düsseldorf ist zutreffend und zeigt, wie gefährlich es für einen Verwalter werden kann, wenn er sich über seine Prozessführungsbefugnis irrt. Er hat sämtliche Verfahrenskosten zu tragen.

Wohnungseigentümer darf Bonität des Verwalters bezweifeln; §§ 1004, 823 BGB

 

 LG Dortmund ( AZ: 1 S 67/15, Urt.v. 27.05.2015)



Ein Wohnungseigentümer darf  die Bonität eines neu zu wählenden Verwalter in Frage stellen. Es ist weder Anspruch wegen der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch wegen einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgebübten Gewerbebetrieb eines WEG-Verwalters als deliktisch geschützten Rechtsgütern gegeben, wenn ein Eigentümer die Bonität eines zur Wahl stehenden Verwalters bezweifelt.

Die Zweifel der Bonität einer haftungsbeschränkten UG als Verwalterin sind auch unter Berücksichtigung der Entscheidung BGH V ZR 190/11 begründet gewesen. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen fehlt es für einen Anspruch auf Widerruf auch an der Rechtswidrigkeit der getätigten Äußerungen, wenn diese in einem gerichtlichen Verfahren und damit zur Wahrnehmung berechtigter Interessen getätigt worden sind, denen die Beklagte innerhalb des laufenden Rechtsstreits zur Wahrung ihrer Interessen hat entgegentreten können (vgl. Palandt, BGB, 74. Auflage, § 823, Rn. 37).

Insoweit ist die Grenze zu einer bewusst unwahren Tatsachenäußerung bzw. zur Schmähkritik, welche auf innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens unzulässig sind (vgl. Palandt, a.a.O.), nicht überschritten worden. Ein Anspruch auf Geltendmachung außergerichtlicher Rechtsanwaltkosten besteht nicht, da die ungerechtfertigte Inanspruchnahme zum allgemeinen Lebensrisiko gehört und eine vertragliche Grundlage mangels Verwalterbestellung ausscheidet.